Green & Sustainability “Wir haben uns erfolgreich dem Kapitalismus entzogen“

“Wir haben uns erfolgreich dem Kapitalismus entzogen“

Mit Ecosia hat Christian Kroll eine profitable Suchmaschine aufgebaut. Doch statt den Exit zu planen, macht er seine Firma nun unverkäuflich

Die Suchmaschine Ecosia nutzt Werbeeinnahmen, um nachhaltige Baumpflanzprojekte in Entwicklungsländern zu finanzieren. Seit dem Start 2009 hat sich das Not-for-Profit-Startup in Deutschland, Frankreich, den USA, Großbritannien und einigen weiteren englischsprachigen Ländern als grüne Alternative zu Google etabliert. Um die 700 .000 Euro setzt Ecosia im Monat derzeit um, wovon bis zur Hälfte an Organisationen ausgeschüttet werden, die Pflanzprojekte betreuen – alles transparent nachzulesen auf der Website. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 setzte Google durchschnittlich 8 Mrd. Dollar im Monat um.

Onlinesuche für eine bessere Welt

Dennoch rückt bei Ecosia der 40-millionste Baum in Sichtweite. Läuft also mit der Onlinesuche für eine bessere Welt. Nun hat Gründer Christian Kroll entschieden, seine Firma zusammen mit der schweizerischen Purpose Stiftung in ein Unternehmen umzuwandeln, das niemals verkauft werden kann und auf alle Zeit dem guten Zweck verpflichtet ist. Heißt: Kroll und sein Investor können ihre Anteile künftig nur noch innerhalb der Firma zu einem symbolischen Preis weitergeben, in allen anderen Fällen hat die Stiftung ein Vetorecht. Potenzielle Übernahmen sind damit ausgeschlossen, frisches Geld von Investoren allerdings auch. Und der Gründer? Ist jetzt nur noch eine Art Angestellter seines eigenen Ladens.

1 Mio. Euro für den Hambi

Neuester PR-Stunt der Öko-Suchmaschine soll nun der Kauf des Hambacher Forsts sein. Dazu hat Ecosia dem Energiekonzern RWE angeboten, den restlichen Waldbestand abzukaufen. Das Angebot von 1 Mio. Euro gilt für die verbliebenen 200 Hektar, der ursprünglich für 500.000 Euro erworbenen 4.100 Hektar großen Waldfläche. Per Fax wandte sich Kroll am Dienstagmorgen an RWE. Das Angebot ist gültig bis zum 31. Oktober, nun bleibt abzuwarten, wie RWE darauf reagiert.

Für unserer aktuelle Ausgabe haben wir Christian Kroll getroffen und mit ihm darüber gesprochen, warum er, anstatt den Exit zu planen, seine Firma lieber unverkäuflich macht.

Herr Kroll, wieso bringen Sie sich um Ihr eigenes, selbst aufgebautes Vermögen?

Eigentlich ist es ein Fortsetzen eines Weges. Während meines BWL-Studiums hieß es oft: Fixierung auf den Shareholder-Value muss nicht sein, aber wir bleiben trotzdem dabei. Diese Perversion, nur auf Gewinnmaximierung und alles, was damit zusammenhängt, zu drücken, fand ich nicht richtig.

Und darum wollten Sie es anders machen.

Genau. Deswegen habe ich Ecosia mit dem Versprechen gegründet, ich mache das nicht, um mich zu bereichern. Ich werde keine Gewinne rausziehen und Ecosia nie verkaufen.

Reichte Ihnen das Versprechen, das Sie sich selbst gegeben haben, nicht aus?

Es bleibt halt ein Versprechen. Wenn Microsoft oder Google kommen würde und sagt: „Hier hast du 100 Mio. Dollar für Ecosia, Christian, willst du es dir doch nicht noch einmal überlegen?“ Und angenommen, es würde dann gerade nicht so gut laufen, hätte ich diesen bequemen Weg gehen können. Außerdem laufen selbst grüne Vorzeigeunternehmen wie die Schuhmarke Toms immer wieder Gefahr, am Ende mehr oder weniger Greenwashing oder Purpose-Marketing zu betreiben und dasselbe kapitalistische System mit einem grünen Anstrich zu verkaufen. Das ist in der Vergangenheit so oft passiert. Weil ich diese Gefahr gesehen habe und wirklich an einen Postkapitalismus glaube, wollte ich das jetzt fix machen. Diese Entscheidung ist in den letzten Jahren immer mehr gereift. Und ich habe mich oft hinterfragt, ob ich diesen Schritt machen soll.

Was waren die Gegenargumente?

Wir haben jetzt keinen Zugang zu klassischem Venturecapital mehr und können nicht einfach mal 100 Mio. Dollar reinholen, um Ecosia auf Teufel komm raus groß zu machen. Aber das ist okay, wir haben akzeptiert, dass wir im Zweifel langsamer sind. Das rechtlich verbindlich für immer festzulegen ist etwas anderes, als etwas nur zu versprechen.

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