Green & Sustainability „Es ist nicht nur Fleisch, das klimaschädlich ist“

„Es ist nicht nur Fleisch, das klimaschädlich ist“

Klimaneutrale Ernährung geht uns alle etwas an. Der Verein Restlos Glücklich e.V. setzt sich in Workshops mit dem Thema auseinander. Wir haben an einem ihrer Online-Kochkurse teilgenommen und mit Geschäftsleiterin Hanna Legleitner über umweltschonende Lebensmittel und nachhaltige Ernährung gesprochen. Obendrauf gibt es Tipps für Resteessen-Rezepte fürs Homeoffice.

Dinkel anrühren, Radieschen fermentieren und Karotten pürieren: Das waren nur einige Handgriffe, die Hanna Legleitner vom Verein Restlos Glücklich e.v. beim Online-Kochkurs über Zoom vorgemacht hat. Wer sich etwas mit Lebensmitteln auskennt, dem fällt bei der Aufzählung auf, dass Zutaten alle in Deutschland angebaut werden. Eine Grundprämisse der Rezepte für die Kochkurse.

Der Restlos Glücklich e.V. wurde 2015 mit der Idee gegründet, aussortierte Lebensmittel in Supermärkten vor der Mülltonne zu retten und ihnen eine zweite Chance zu geben. Denn nur weil manches Gemüse nicht aussieht, wie aus einem Stilleben-Gemälde der Renaissance entsprungen, kann man es trotzdem essen.

Viele Küchen, ein Zoom-Raum

Der Verein hat seine Arbeit auf Workshops fokussiert, um Menschen zu zeigen, dass sie in kleinen Schritten und ohne den Spaß am Essen zu verlieren, durch Ernährung einen positiven Beitrag zum Klima leisten können. „Dabei geht es nicht um Verzicht, sondern um kreatives Denken beim Kochen“, sagt Legleitner. Ihnen gehe es viel mehr um den Aha-Effekt bei den Workshops und dass Menschen dadurch langfristig etwas an ihrer Ernährung verändern.

Da viele Workshops aufgrund von Corona aktuell nicht stattfinden können, haben Hanna und ihr Team die Kochkurse ins Internet verlegt. Motto des Kochabends war „Ganz und Gar – Zero Waste Küche“. Gekocht wurde mit Zutaten, die die Saison hergibt. Meldet man sich für einen Kochkurs an, bekommt man die Einkaufsliste eine Woche vor der gemeinsamen Zoom-Session. Die Rezepte gibt es der Überraschung wegen erst am Tag des Kurses.

Koch-Hacks und Know-How

Die Teilnehmerzahl ist klein und überschaubar. Man kann sich beim Gemüseschneiden unterhalten und Fragen stellen. Hanna und ein weiteres Teammitglied erklären nebenher die Vorteile der Lebensmittel, die man für die Rezepte verwendet. Man bekommt nicht nur nützliche Koch-Hacks an die Hand, sondern auch Wissen über das, was später im Magen landet.

Eine Herausforderung: die eigene Multitaskingfähigkeit. Gehört man zu den Menschen, die bei mehreren Gerichten eins nach dem anderen fertig machen, muss man jetzt umdenken. Hier läuft beim Online-Kochkurs alles parallel ab. Umso erstaunlicher ist es, wenn man sieht, was man in zweieinhalb Stunden am Herd an Kulinarik herausholen kann. „Ich koche alles zuerst zur Probe, stoppe die Zeit, packe dann etwas Puffer drauf und passe die Rezepte an. Wir achten bei den Workshops darauf, dass alle mitkommen – schließlich wollen wir nach dem Kochen auch gemeinsam essen“, sagt Legleitner.

Die Küche versinkt während des Workshops leicht ins Chaos, weil parallel aufzuräumen eher nicht möglich ist – es sei denn, man macht den Kurs zu zweit. Die Rezepte machen das geschmacklich allerdings wieder wett.

Nach dem Kurs haben wir mit Hanna telefoniert und ihr weitere Fragen rund um das Thema Ernährung gestellt.

Hanna, wie es ist für dich, so einen Workshop zu geben?

Das erste Mal war ich tatsächlich sehr aufgeregt. Mein Adrenalin war extrem hoch. Man braucht wahnsinnig viel Energie, weil man die ganze Zeit redet und dabei kein direktes Feedback bekommt, wie es normalerweise in einem Präsenzworkshop der Fall ist. Aber es macht sehr viel Spaß. Ich finde es toll zu sehen, wie wir in kurzer Zeit die Teilnehmenden inspirieren können.

Was ist das größte Vorurteil zum Thema Klima und Ernährung, das in den Köpfen herrscht?

Ganz viele wissen nicht, welche Auswirkungen wir mit unserem Konsum haben und verändern eher etwas im Bereich Verkehr. Aber circa 17 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen sind auf die Ernährung zurückzuführen. Das ist eine große Zahl und an der setzen wir an. Ein weiteres Vorurteil ist, dass man sich klimafreundliche Ernährung nicht leisten kann. Das stimmt nicht. Klimafreundliche Ernährung ist saisonal. Die Produkte sind günstiger, als wenn man sie außerhalb der Saison kauft. Und je nachdem, wie man einkauft und kocht, auch preiswerter als Fast Food und Fleisch.

Gefühlt gehen Menschen immer seltener einkaufen, kaufen dann aber mehr ein. Was kann man tun, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren?

Ich plane ganz genau, was ich die Woche kochen will und was ich dafür brauche. Natürlich mit etwas Flexibilität, weil es auch noch Spaß machen soll. Aber mit Blick darauf, was zuerst gegessen werden muss und was noch länger haltbar ist. Dadurch habe ich wenig Lebensmittelüberschüsse. Und ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lagerung im Kühlschrank. Man kann Gemüse so viel länger haltbar machen, wenn man Kräuter oder Salat in feuchte Geschirrtücher einpackt. Oder man überlegt sich, wie man Lebensmittel weiterverarbeiten kann, wenn sie nicht mehr ganz so frisch aussehen. Pesto geht zum Beispiel super schnell.

Dafür muss man dann aber schon um die Ecke denken.

Ja. Aber es gibt auch Gerichte, die kann man mit jedem Lebensmittel machen, zum Beispiel Bowls. Das ist ein super Gericht, wenn man verschiedene Lebensmittel nur noch in geringen Mengen hat. Man muss recherchieren und ausprobieren, was man mag.

Was ist denn nachhaltige Ernährung überhaupt? Ist das vegetarisch, vegan, plant-based?

Man muss unterscheiden, wie viel CO2 durch das Lebensmittel verursacht wird und wie es angebaut wurde. Also ob bio oder konventionell. Bestenfalls kommen die Lebensmittel aus der Region und sind saisonal. Das sind wichtige Aspekte. Vegan heißt nicht automatisch klimafreundlich. Es gibt sehr viele Produkte in der vegetarischen oder veganen Ernährung, die stark verarbeitet sind und weite Wege reisen mussten. Butter ist zum Beispiel unheimlich klimaschädlich, weil sie sehr verarbeitet ist. Da wird viel Wasser aufgebraucht. Tiefgekühlte Pommes sind es durch das Einfrieren, den Transport und die Verpackung auch. Wenn man die frisch macht, sind sie nicht nur gesünder, sondern auch viel besser fürs Klima. Das heißt, es ist nicht nur Fleisch, das klimaschädlich ist.

Klimafreundliche selbstgemachte Pommes. ©Restlos Glücklich e.V.

Ganz ehrlich: Wie kompliziert ist es, nachhaltige Ernährung im Alltag umzusetzen?

Man muss natürlich Interesse am Thema haben und sich informieren, was zu welcher Saison wächst und geerntet werden kann. Was ist Lagerware? Woher kommen meine Lebensmittel? Das ist zunächst ein wenig aufwendig. Aber auf Saisonalität zu achten, ist der erste Schritt, den man machen kann. Ein Vorteil davon ist neben dem Klimaschutz auch, dass man sich viel ausgewogener und kreativer ernährt.

Welche drei Lebensmittel gehen immer?

Ich bin momentan ein totaler Fan von Roter Beete, weil man viel aus ihr machen kann. Sie kommt aus Deutschland und ist unheimlich gesund. Karotten sind auch wunderbar. Ich glaube, sie werden das neue vegane Superfood. Man kann aus ihnen Hummus machen oder auch „Nudeln“. Es gibt viele Fleischersatzprodukte, die auf Karotten basieren, zum Beispiel Bacon- oder Lachsersatz. Sonnenblumenkerne dürfen auch nicht fehlen.

Welches Rezept ist perfekt für ein Resteessen im Homeoffice?

Was ich tatsächlich gerne mache, sind Bowls oder asiatische Salate: Einfach Gemüse schnippeln und ein Dressing dazu zubereiten. Ansonsten kann man viele Reste wunderbar als Gemüse in den Ofen schieben. Was man auch schnell kochen kann, sind herzhafte Pancakes. Dafür braucht man nur Mehl, Wasser und Backpulver. In den Teig lässt sich wunderbar Gemüse hineinmischen oder als Topping drauf machen, so sind sie auch schön bunt.

Das könnte dich auch interessieren